Zu meinen Bildern
Die Suche nach dem verlorenen Paradies lässt in Form von Utopien,
Mythen und Verklärungen aus unbekannten Welten
eine Projektionsfläche verschiedenster Sehnsüchte werden.
Nicht nur Werbefantasien versprechen im Inselparadies,
im Paradieswald, das Glück in der fernen Südsee.
Reiseberichte, Prospekte und einseitige Dokumentarfilme scheinen zu bestätigen,
dass es irgendwo zu finden sein muss: das Paradies.
Was ist es, das uns drängt, unsere Paradiesromantik auf sogenannte unberührte Kulturen
zu projizieren, die dafür herhalten müssen, unsere nostalgischen Gelüste nach
"Ursprünglichkeit" und "Unberührtheit" zu befriedigen? Andersartige Völker wie Affen im Käfig
zu bewundern, ohne ihnen das Recht zuzugestehen auf Selbstbestimmung,
Weiterentwicklung, Fortschritt und Augenhöhe mit westlichen Kulturen.
Zahlreich und vielseitig sind die Fragen, die sich aufwerfen, sobald man sich de facto
mit fremden Kulturen auseinandersetzt und sich der Ambivalenz
zwischen Bewunderung und Mitleid stellt. Spannend, wenn sich daraus mehr entwickelt,
nämlich Kommunikation, die neben den Versuchen zu verstehen,
vor allem eines zeigt: unsere Grenzen.
Unser Urteilsvermögen, unsere Sehkraft, Interpretation und Wahrnehmung
offenbaren scharfkantige Limits, wenn es um Bereiche außerhalb des uns Bekannten geht.
Unsere unvermeidliche Subjektivität, gepaart mit Wunschdenken, lässt uns abgleiten
in schnelle und oberflächliche Fazits, die wirkliche Überraschungen nicht mehr zulassen.
Wertvorstellungen, (Vor)Urteile und Traditionen sind immer ein kanalisierender Filter.
– Unerwartetes verlangt aber nach Freiraum, wenn unsere Wahrnehmung
all ihre Dimensionen ausspielen möchte.
Aus meinem achtjährigen Aufenthalt in der Südsee bleibt mir als tiefste Erinnerung
die Intensität. Intensität in jeglicher Form: dichtester Urwald, enorme Wuchskraft,
kraftvolle und leuchtende Farben, leidenschaftliche Sonnenuntergänge, die alles umhüllen.
Scheinbar werden damit alle Klischees bedient, dahinter steckt jedoch eine Power
und eine Wirklichkeit, die nicht in gängige Beschreibungen passt. Den ungeheuren Kräften der Natur
wohnt gleichzeitig Schönheit und Gefahr inne und lässt erahnen, wie nah sich die beiden stehen.
Kommt ein Sturm auf, verwandelt sich das türkisblaue, glasklare Wasser plötzlich in eine
gnadenlose Hölle. Es wäre fatal, sich die Suche nach dem Paradies zu einfach zu machen.
Wissen und Können werden schnell zu Besserwissen und Eingrenzung,
besonders in der Reflexion anderer Welten. Meine Bilder sind der Versuch,
die Wirklichkeit hinter der Wahrnehmung zu untersuchen. Das Medium Malerei ist eine eigene Sprache,
jenseits von Worten und konkreten Darstellungsversuchen. Ich lasse den Bildern
während des Entstehens Raum, sich selbst zu entwickeln, in andere Richtungen,
als sie von mir geplant werden könnten.
Rede Jutta Fischer, Staatsgalerie
Die für die Künstlerin bedeutende Abschlussausstellung des Studiums zeigt bereits Arbeiten, die sich mit ihrem Hauptthema, den Erinnerungen an das Leben in einer fremden Kultur beschäftigen, an das Leben in Papua-Neuguinea. Konsequent arbeitet sie seither an diesem Sujet in ihren abstrakten, meist großformatigen Bildern.
Zu jener Phase ihres Lebens äußert sich die Malerin wie folgt:
„Aus meinem achtjährigen Aufenthalt in der Südsee bleibt mir als tiefste Erinnerung die Intensität. Intensität in jeglicher Form: dichtester Urwald, enorme Wuchskraft, kraftvolle und leuchtende Farben, leidenschaftliche Sonnenuntergänge, die alles umhüllen. [...] Den ungeheuren Kräften der Natur wohnt gleichzeitig Schönheit und Gefahr inne und lässt erahnen, wie nah sich die beiden stehen. Kommt ein Sturm auf, verwandelt sich das türkisblaue, glasklare Wasser plötzlich in eine gnadenlose Hölle. Es wäre fatal, sich die Suche nach dem Paradies zu einfach zu machen.“
Die Farbintensität, die Dichtheit der Flora sowie die Kräfte der Natur, an die sich Margret Berger erinnert, kommen in ihren Arbeiten etwa durch Farbwahl und Malprozess zum Ausdruck. Aus dem visuellen Gedächtnis arbeitend, setzt die Malerin aber nicht gegenständliche Abbildungen von Landschaft wie Meereshorizonte, oder Wald- und Küstenlandschaften auf die Leinwand, sondern schafft ungegenständliche Malerei, die stets Assoziationen an irgendwo, irgendwas Gesehenes zuläßt. Vielfach legen auch die Titel eine Fährte: „Manus Jungle“, „Wilderness“, oder „Onedayparadise“ bringen die Darstellung mit Vorstellungen an jungfräulichen Urwald oder paradiesische Landschaften in Verbindung. Aber auch ohne textliche Hilfestellung nehmen die Arbeiten die Betrachter durch leuchtende Komplementärkontraste wie rot-grün, zahlreiche Abstufungen grüner oder blauer Farbtöne mit in eine Welt dichtester Vegetation, Meeresweite, Unterwasserwelt und 100%iger Luftfeuchtigkeit. Die sinnlichen Reize, die von der tropischen Umgebung ausgehen werden nun nicht allein durch die Umsetzung bestimmter Farbkombinationen deutlich gemacht, sondern ebenso mittels besonderer Technik und Materialien. So verwendet die Malerin vielfach die brilliante Ölfarbe, die einer versierten Technik bedarf und Farben besonders zum Leuchten bringt. Zudem setzt sie Harze, Gipsmehl und Schellack ein, wodurch die Oberfläche nicht allein einen visuellen Reiz auslöst, sondern zudem haptische Qualitäten besitzt. Viele der Arbeiten weisen eine besondere Farbraumtiefe auf. Diese wird erzeugt durch schichtenweisen Farbauftrag. Bis zu zwanzig Farbschichten malt die Künstlerin übereinander, um der Farbe jene Räumlichkeit zu verleihen, die durch das einfallende Licht, welches sich in jeder der durchlässigen Schichten reflektiert, entsteht und die sie vom rein Plakativen unterscheidet.
Der Malprozess nun bewegt sich in einem Spannungsfeld zwischen mediativ-langsamem, schichtenweisem Farbauftrag und gestisch- schneller, expressiver Malweise. Die Spuren dieser Prozesse sind sichtbar. Die ausgreifenden Pinselschwünge auch der malerische Duktus, der die Borsten des Pinsels oder die Kanten der Rakel sichtbar macht, zeichnen sich auf dem Bildgrund ab, ebenso die spontan auf die Leinwand geworfenen oder getröpfelten Farbspritzer. Diese Malweise bezieht auch bewusst den Zufall mit ein. Die Anlage, die Komposition einer Arbeit ist keineswegs im Vorfeld genau entworfen. Zu Beginn steht eine Entscheidung etwa über farbliche Grundstimmung oder eine grobe Formvorstellung. Der Rest aber entsteht im aleatorischen, also vom Zufall abhängigen Schaffensprozess. Dieses Arbeiten, indem Formen und Farben auch aus emotionalen Situationen heraus gewählt werden, bedarf zugleich einer reflektierten, wieder in Distanz zur Arbeit gehenden Haltung. Findet die Künstlerin zu einem vorläufigen Schlusspunkt des Bildes, wird dieses in Augenschein genommen, es steht wochen- monatelang im Atelier, wird aus der Nähe aus der Ferne betrachtet und auch diese Auseinandersetzung mit der Arbeit, das sich Versenken in die Farb- und Formenwelt gehören zur Entstehung eines Bildes. Die damit einhergehende Diskussion, sei es im Inneren Monolog oder im Gespräch führen schließlich zur Entscheidung, wann das Werk nun tatsächlich beendet ist. Manches Mal wird daraufhin die Leinwand erneut überarbeitet. In besonders extremen Fällen wie etwa bei dem Künstler Alberto Giacometti geschehen, wird das Werk sogar nach dem Verkauf nochmals ins Atelier zurückgeholt, um es zu vollenden. Dieses prozessorientierte Arbeiten steht in der Tradition der bereits erwähnten informellen Kunst. Geistiger Vater dieser Bewegung der 40er und 50er Jahre war nicht zuletzt der Stuttgarter Künstler Willi Baumeister. 1947 äußert er in Bezug auf Cézanne und die „neuzeitlichen Maler“ wie folgt:
„Durch Ordnung kann der Mensch in der verwirrenden Vielfalt der Welt einen Standpunkt gewinnen. Der neuzeitliche Maler sucht diesen Standpunkt nicht durch Nachbilden der äußeren Naturerscheinung, sondern er bildet aus sich. Er bildet nicht nach der Natur, sondern wie die Natur.“ [Zitatende]
Diese expressiv-gestische Kunst kam zeitgleich unter dem Begriff des „Abstrakten Expressionismus“ in den USA auf und einhergehend mit der bewegten Malerei wählten die Künstlerinnen und Künstler zumeist ein sehr großes Bildformat, welches der menschlichen Körpergröße und den Malaktionen der Künstler entsprach. Werke der Künstlerinnen Joan Mitchell oder Helen Frankenthaler hinterließen etwa diesen grenzenlosen Eindruck, zum Beispiel durch die bis über den Bildrand hinausweisenden Bildelemente. Die Farbfelder oder gestischen Schwünge konnten problemlos in den Raum der Betrachter hinein weitergedacht werden, was der bewußte Verzicht auf Bilderrahmen noch zusätzlich erleichterte.
Jutta Fischer M.A., Kunsthistorikerin, e-mail:jut.fischer@t-online.de
Neben diesen Aspekten der Arbeiten Margret Bergers, die Elemente jener Strömungen diesseits und jenseits des Aktlantiks aufgreifen, etwa das große Format, in das wir Betrachter eintauchen können ohne die Grenzen wahrzunehmen oder das Hinausweisen über den Bildrand, befindet sie sich zugleich auf der Höhe unserer Zeit, in der vielfach Grenzüberschreitendes thematisiert wird . Zum einen haben diese Arbeiten einen zutiefst persönlichen und daher aktuellen Charakter, eben durch die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit, die sicherlich ein nicht endender Quell der Inspiration sein kann.
Zum anderen verweisen diese Bilder auf weitere künstlerische Gattungen, zeigen also die Grenzen der reinen Malerei auf und gehen darüber hinaus: einige Arbeiten lassen uns etwa an Makroaufnahmen von dichtestem Urwaldgewächs oder Korallenriffen denken womit das Medium Fotografie aufgerufen wird, in welchem die Künstlerin zeitweise auch arbeitet. In „Hiding the Obvious“, was in unterschiedlichsten Grüntönen gehalten ist, wecken etwa Elemente der rechten Bildhälfte, die sich in der Senkrechten wiederholen, sogar Assoziationen an Sequenzen des abstrakten Films.
Jutta Fischer M.A., Kunsthistorikerin Staatsgalerie Stuttgart